Pressemitteilung
Günter Baumann
Mitglied des Deutschen Bundestages
Berlin, 25.01.2005
Günter Baumann, MdB, Mitglied des Innenausschusses
Innere Sicherheit/Kriminalitätsbekämpfung:
„Der genetische Fingerabdruck muss zum
erkennungsdienstlichen Standard werden“
Der schnelle Fahndungserfolg der Polizei im Mordfall des Modemachers Rudolph
Moshammer hat Eindruck gemacht: bei den Bürgern, in der Politik, wo jetzt die
nächste innenpolitische Zerreißprobe zwischen Rot und Grün ansteht, und nicht
zuletzt auch im kriminellen Milieu. Denn die Botschaft des 15. Januar 2005
lautet, dass moderne Fahndungsmethoden wie die DNA-Analyse die Überführung des
Täters innerhalb weniger Stunden ermöglichen können. Und eine möglichst hohe
Aufklärungsquote bei Kapitalverbrechen ist bekanntlich das beste Mittel,
potentielle Täter abzuschrecken.
Leider bleibt Deutschland weit unter seinen Möglichkeiten einer effizienten
Verbrechensbekämpfung. Die rotgrüne Bundesgesetzgebung erlaubt der Polizei die
Abnahme eines genetischen Fingerabdrucks nur in sehr engen Grenzen. Eine
Voraussetzung nämlich lautet, dass bereits eine schwere Straftat oder ein
Sexualdelikt vorliegen muss, um künftige Straftaten des Täters leichter
identifizierbar machen zu dürfen.
Die zweite Voraussetzung ist der so genannte Richtervorbehalt:
nach derzeitiger Rechtslage muss ein Richter zustimmen, ehe einem Verdächtigen
oder Verurteilten gegen dessen Willen eine Speichelprobe entnommen wird und
sogar ehe Tatortspuren molekulargenetisch untersucht werden dürfen.
Wenn die Analysedaten in der DNA-Analysedatei beim Bundeskriminalamt gespeichert
werden sollen, muss der Richter erneut zustimmen – aber nur wenn er die
Vermutung der Polizeibeamten teilt, dass der Betreffende wieder straffällig
werden könnte.
Das beinhaltet nicht nur einen erheblichen Verwaltungsaufwand, der sachlich
nicht zu rechtfertigen ist. Es führt auch zu erheblichem Zeitverlust, da Richter
oft überlastet sind und die Genehmigung nur sehr spät erteilen können. So etwa
im Fall Mohammed, der vor zwei Jahren an einer Bonner Schule ein Mädchen
vergewaltigte, nachdem er aus der Haft entlassen worden war. Die richterliche
Genehmigung zur Speicherung seiner Gen-Daten war vor der Entlassung beantragt
worden, kam aber erst viel später danach. Die Polizei konnte erst jetzt
erfahren, dass das aktuelle Sexualdelikt nicht das erste gewesen und Mohammed
schon vor seiner Haft eine solche Tat begangen hatte. Wäre ein Datenabgleich
ohne Richtergenehmigung möglich gewesen, wäre der Mann gar nicht erst aus der
Haft entlassen worden.
Gemeinsam mit den Arbeitsgruppen Innen und Recht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
habe ich aufgrund solcher selbstverschuldeter Sicherheitsmängel bereits vor über
einem Jahr in dem Antrag „Verbrechen wirksam bekämpfen – Genetischen
Fingerabdruck konsequent nutzen“ (Bundestagsdrucksache 15/2159) die
Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der
a) die Ermittlung und Speicherung des genetischen Fingerabdrucks
(DNA-Identifizierungsmuster) – wie beim herkömmlichen Fingerabdruck – als
normalen Bestandteil der erkennungsdienstlichen Behandlung vorsieht,
b) die DNA-Analyse auch bei Einstiegskriminalität, beispielsweise
im Bereich der Drogenkriminalität und bei allen Straftaten mit sexuellem
Hintergrund ermöglicht,
c) den Richtervorbehalt bei der Untersuchung von anonymem
Spurenmaterial aufhebt und
d) eine Strafandrohung für den bestimmungswidrigen Missbrauch von
DNA-Proben enthält.
Es hätte nicht erst des Falls Moshammer bedurft, um den genetischen
Fingerabdruck auf die Tagesordnung zu setzen. Denn auch trotz der bislang
eingeschränkten Möglichkeiten hat die DNA-Analyse bereits jetzt eine
Erfolgsgeschichte in der modernen Kriminalitätsbekämpfung geschrieben: „Wir
haben seit Bestehen der DNA-Datei beim Bundeskriminalamt, also seit dem Jahr
1998, 18.000 Straftaten aufklären können, darunter über 370 Tötungsdelikte und
etwa um die 900 Sexualdelikte. Das ist schon eine gute Bilanz und wir haben die
Möglichkeiten der DNA-Spur noch längst nicht ausgeschöpft.“ Diese völlig
richtige Einschätzung stammt von einem Mitglied der Bundesregierung:
Bundesinnenminister Schily. Herr Schily hat bekanntlich das Problem, dass er für
so manche seiner Ideen jederzeit eine Mehrheit im Parlament finden könnte – nur
nicht in den eigenen Reihen. Besonders hohe Wellen haben seine Äußerungen nach
dem Moshammer-Mord beim grünen Koalitionspartner geschlagen. Denn die Grünen
können oder wollen nicht begreifen, dass das erkennungsdienstliche
DNA-Identifizierungsmuster wie der herkömmliche Fingerabdruck allein der
Identifizierung dient, aber keine Rückschlüsse auf Persönlichkeitsmerkmale oder
Gesundheitszustand des Täters zulässt.
Die kommenden Wochen werden zeigen, ob sich die
sicherheitspolitische Selbstblockade der Bundesregierung fortsetzt oder ob sich
der Bundesinnenminister diesmal durchsetzen kann. Verzögerungen gehen in jedem
Fall auf das Konto von Rotgrün. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dagegen hat
bereits im November 2004 einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des Richtervorbehalts
für die DNA-Analyse anonymer Spuren vorgelegt (BT-Drs. 15/4136). Dieser stand
gemeinsam mit unserem Antrag von 2003 am 26.1.2005 auf der Tagesordnung des
Innenausschusses. Ein weiterer Gesetzentwurf aus Bayern wird demnächst das
Parlament über den Bundesrat erreichen. Wenn es nach der Union geht, kann
Deutschland jederzeit diesen sicherheitspolitisch überfälligen Schritt in das
21. Jahrhundert gehen.