Wahlkreisabgeordneter Günter Baumann (CDU) berichtet
Sitzungswoche vom 29.05. - 02.06.2017
1) Große Reform in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen.
Nach intensiven Beratungen stellen wir die Finanzbeziehungen zwischen Bund und
Ländern auf eine neue Grundlage und schließen damit eines der wichtigsten
Reformvorhaben dieser Koalition in zweiter und dritter Lesung ab. Diese Reform
ist die umfassendste seit den Föderalismuskommissionen I und II. Mit einem
umfangreichen Gesetzgebungspaket, zu dem auch Grundgesetzänderungen in Artikel
90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g gehören,
sorgen wir für finanzielle Planungssicherheit in Bund und Ländern von 2020 bis
mindestens 2030. Im Vordergrund dieser Reform steht für uns die gesamtstaatliche
Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit. Damit tragen wir bei zu gleichwertigen
Lebensverhältnissen in ganz Deutschland.
Unterschiede in der Finanzkraft der Länder werden künftig nicht mehr durch einen
horizontalen Finanzausgleich untereinander abgefedert, sondern über die
Verteilung des Länderanteils an der Umsatzsteuer. Ergänzend erklärt sich der
Bund zu einer jährlichen zusätzlichen finanziellen Beteiligung bereit, die im
Jahr 2020 rund 9,5 Milliarden Euro betragen wird. Im Gegenzug konnten wir
strukturelle Verbesserungen im Bund-Länder-Verhältnis erreichen. So wird der
Stabilitätsrat gestärkt, indem er die Einhaltung der Schuldenbremse zukünftig
auch auf Länderebene überwacht. Im parlamentarischen Verfahren haben wir dem
Bund einen größeren Einfluss auf die Ausgestaltung der Länderprogramme zur
Verwendung der Bundesmittel gesichert. Zudem stärken wir die
Weisungsmöglichkeiten des Bundes beim Steuervollzug und machen somit den Vollzug
im Finanzwesen effizienter. Des Weiteren schaffen wir mit einer neuen
Bundeskompetenz die Grundlage für ein Bürgerportal, mit dem die Dienstleistungen
von Bund und Ländern digital leicht erreichbar sein werden.
Autobahnen sind für uns als starke Wirtschaftsnation wichtige Lebensadern. Um
Planung, Bau, Betrieb und Erhalt der Autobahnen künftig effizienter und
schneller zu gestalten, übertragen wir diese Aufgaben von 16 Ländern auf den
Bund. Dort schaffen wir eine Infrastrukturgesellschaft, die ab 2021 die
genannten Aufgaben übernimmt. Wir sichern den über 10.000 Beschäftigten einen
guten Übergang zum Bund zu und werden auf ihre Bedürfnisse bei diesen
Veränderungen achten.
Wir reformieren in diesem Paket zudem den Unterhaltsvorschuss, eine besondere
Hilfe für Alleinerziehende und ihre Kinder. Wir erweitern diese
Unterhaltsleistung auf die betroffenen Kinder bis zum vollendeten 18.
Lebensjahr, es kommen also die 12- bis 17-Jährigen als neue Anspruchsberechtigte
hinzu.
Schließlich schaffen wir die Grundlage dafür, dass der Bund finanzschwachen
Kommunen Finanzmittel für die Schulen zur Verfügung stellen kann. An der
Kernzuständigkeit der Länder für das Bildungswesen ändert sich damit nichts,
aber wir wollen in einem für die Zukunft unseres Landes wichtigen Bereich
gezielte Hilfen ermöglichen, die Kindern zugutekommen. Als Land ohne Rohstoffe
sind kluge Köpfe unsere Zukunft.
Im Einzelnen:
Förderung von Investitionen - Wenn der Bund den Ländern und Kommunen
Finanzhilfen für Investitionen nach Art. 104b GG gewährt, soll er in Zukunft
mehr Mitwirkungsrechte bei der Programmausgestaltung erhalten. Konkret besteht
die Möglichkeit, über die bei der Gewährung von Finanzhilfen vorgesehene
Festlegung der Investitionsbereiche und der Arten der zu fördernden
Investitionen hinaus im Einvernehmen mit dem betroffenen Land auch Kriterien für
die Programmausgestaltung festzulegen.
Unterstützung Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen - Im
Grundgesetz wird im neuen Art. 104c GG die verfassungsrechtliche Grundlage dafür
geschaffen, dass der Bund finanzschwache Kommunen bei der Sanierung von Schulen
unterstützen kann. Das sog. Kooperationsverbot bleibt dabei bestehen. Auf Basis
des neuen Art. 104c GG stocken wir den 2015 eingerichteten
Kommunalinvestitionsförderungsfonds um weitere 3,5 Mrd. Euro auf. Um einen
umfassenden Mittelabfluss sicherzustellen, war uns wichtig, schon jetzt den
Programmzeitraum gegenüber dem Regierungsentwurf um zwei Jahre (also bis 2022)
zu verlängern, sowie Ersatzbauten und Baumaßnahmen, die der Barrierefreiheit von
Schulgebäuden dienen, möglich zu machen. Die konkrete Auswahl der Kommunen und
Projekte ist und bleibt Ländersache.
Digitalisierung - Der Bund richtet ein zentrales Bürgerportal ein, über
das auch die Länder und Kommunen ihre Online-Dienstleistungen bereitstellen.
Hiermit bringen wir die fällige Digitalisierung von Verwaltungsleistungen in
Deutschland voran und werden bundesweit vergleichbare Standards für den Zugang
zu öffentlichen Datenpools erreichen. Im Gegensatz zum Regierungsentwurf wurde
die Anwendungsbreite erweitert, Zustimmungsvorbehalte des Bundesrates
aufgehoben, die Möglichkeit der Registrierung bei verschiedenen Stellen
geschaffen und datenschutzrechtliche Vereinfachungen umgesetzt. Ziel ist so viel
Bürgernähe wie möglich.
Infrastrukturgesellschaft - Mit der Einführung einer
Infrastrukturgesellschaft werden die Bundesautobahnen in unmittelbare
Bundesverwaltung übernommen. Es wird weder eine Privatisierung unserer
Autobahnen, noch der neuen Infrastrukturgesellschaft geben. Der Bund bleibt
grundgesetzlich abgesichert Eigentümer. ÖPP-Projekte auf einzelnen
Streckenabschnitten bleiben weiterhin möglich.
Im Rahmen der Kompromissfindung mit der SPD haben wir uns darauf verständigt,
einen Ausschluss von sog. „Netz-ÖPP“ im Grundgesetz festzuschreiben. Zudem gehen
wir die dringend erforderliche Modernisierung der Auftragsverwaltung an.
Bestehende Reibungsverluste zwischen Bundes- und Länderzuständigkeiten werden
abgebaut, um bundesweit ein einheitlich hohes Qualitätsniveau unseres
Autobahnnetzes sicherzustellen. Dem trägt die angestrebte GmbH-Lösung mit
maximal zehn Tochtergesellschaften Rechnung. Darüber hinaus schaffen wir mit
weitreichenden Arbeitsplatzsicherungen und Klarstellungen Verlässlichkeit für
die Beschäftigten.
2) Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages.
Wir kommen einer Empfehlung des Geschäftsordnungsausschusses und einem Vorschlag
des Ältestenrates nach und regeln die Bestimmung des Alterspräsidenten neu.
Künftig soll nicht mehr das lebensälteste Mitglied des Bundestages als
Alterspräsident vorgesehen sein, sondern das am längsten dem Bundestag
angehörende Mitglied, das zur Übernahme dieses Amtes bereit ist. So stellen wir
sicher, dass der Alterspräsident des Deutschen Bundestages über eine
ausreichende parlamentarische Erfahrung bei der Leitung von Sitzungen von
besonderer Bedeutung verfügt.
3) Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen.
Ehen zwischen Minderjährigen können das Wohl der Kinder bzw. Jugendlichen sowie
deren Entwicklungschancen maßgeblich beeinträchtigen. Im Sinne des Kindeswohles
und des Schutzbedürfnisses Minderjähriger beraten und beschließen wir in zweiter
und dritter Lesung ein Gesetz, mit dem wir das Ehemündigkeitsalter im deutschen
Recht ausnahmslos auf 18 Jahre festlegen. Zudem werden Ehen, bei denen ein
Ehepartner zum Zeitpunkt der Heirat unter 16 Jahre alt war, für nichtig erklärt.
War einer der Ehepartner 16 oder 17 Jahre, kann auf Antrag die Ehe durch
Gerichtsbeschluss annulliert werden. Wir setzen damit unsere Werteordnung auch
gegenüber im Ausland geschlossenen Ehen durch, wenn die Ehepartner etwa als
Flüchtlinge nunmehr nach Deutschland kommen.
4) Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes ‒
Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr.
In erster Lesung beraten wir einen Gesetzentwurf, mit dem wir die Veranstaltung
illegaler Straßenrennen ebenso wie die Teilnahme daran unter Strafe stellen
wollen. Bisher sind illegale Straßenrennen nur als Ordnungswidrigkeit
verfolgbar, was den damit verbundenen erheblichen Gefahren für unschuldige
Passanten oder andere Verkehrsteilnehmer nicht gerecht wird. Wir zeigen damit:
Bei illegalen Straßenrennen gilt für uns "null Toleranz".
5) Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters.
Unternehmen, denen erhebliche Rechtsverstöße zur Last gelegt werden, dürfen
nicht von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen profitieren. Aufgrund
uneinheitlicher Maßstäbe in den Landesregistern ist es für öffentliche
Auftraggeber bislang schwierig nachzuprüfen, ob es bei einem Unternehmen zu
Straftaten oder anderen schwerwiegenden Rechtsverstößen gekommen ist. In zweiter
und dritter Lesung beschließen wir daher den Aufbau eines zentralen
Bundesregisters, welches ebenfalls die zur Eintragung führenden Straftaten und
Ordnungswidrigkeiten abschließend regelt.
6) Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer
Krankheiten.
Wir beschließen in zweiter und dritter Lesung die Einführung eines
elektronischen Melde- und Informationssystems für übertragbare Krankheiten gemäß
Infektionsschutzgesetz. Verantwortliche in Gesundheitsämtern oder Landesbehörden
erhalten durch das durchgängig elektronische Meldesystem Informationen noch
schneller und können so Übertragungswege von Infektionen besser aufklären.
7) Drittes Gesetz zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften.
Um die Rechtslage im Bereich des Tourismus- und Reisemarktes neuen
Entwicklungen der vergangenen Jahre anzupassen, beschließen wir in zweiter und
dritter Lesung eine Anpassung des rechtlichen Rahmens und die Umsetzung einer
europäischen Richtlinie. Die bisher gültige Richtlinie stammte aus den 1990er
Jahren. Seitdem hat sich das Buchungsverhalten durch zunehmende Online-Angebote
deutlich verändert. Im Fokus stehen dabei vor allem Regelungen, um Buchungen im
Internet exakter zu fassen und Rechtssicherheit für die neben der Pauschalreise
neu eingeführte Kategorie der verbundenen Reiseleistung zu gewährleisten. Eines
der größten Probleme bei den Verhandlungen in Brüssel war von Anfang an die
unterschiedliche Ausgangssituation in den 28 Ländern der EU. Auf Wunsch der
Reisebranche wurde zur Klarstellung der Abgrenzung zur reinen Vermittlung ein
Beratungsgespräch im Vorfeld einer konkreten Buchung aufgenommen. Damit ist
sichergestellt, dass Informationspflichten, die sich aus dem Gesetz ergeben und
deren entsprechenden Rechtsfolgen, nicht bereits in diesem Stadium des
Verkaufsgespräches greifen. Die bisher bekannte, umfassende Beratung durch das
Reisebüro bleibt uneingeschränkt möglich.
Berlin, am 02.06.2017