Günter Baumann, MdB

 

Rede vor dem Deutschen Bundestag zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion „Konsequenzen aus Dresdener Bombenfund ziehen“ (Drs. 15/1238)

am 12.02.04

 

 

Am Freitag vor Pfingsten vergangenen Jahres sind hunderte von Menschen im Dresdener Hauptbahnhof knapp einer Katastrophe entgangen. Auf einem Bahnsteig war ein herrenloser Koffer aufgefallen. Wie sich später herausstellte, enthielt er eine Kofferbombe mit TNT-Sprengstoff. Wäre er gezündet worden, hätte es ein furchtbares Blutbad gegeben. Nur die Wachsamkeit eines Bahnangestellten und der professionelle Einsatz des Bundesgrenzschutzes haben uns davor bewahrt.

Der Bombenfund von Dresden hat uns allen deutlich gemacht:

Deutschland ist nicht länger nur Zuschauer terroristischer Gräueltaten in aller Welt. Deutschland ist selbst ein Ziel terroristischer Aktivitäten. Wir sind hier nicht eine Insel der Sicherheit, nicht abseits vom Weltgeschehen, sondern mittendrin. Dieser Einsicht in die neuen Risiken müssen aber auch sicherheitspolitische Konsequenzen folgen.

Die CDU/CSU-Fraktion hat bereits im Juni 2003, unmittelbar nach dem Dresdener Bombenfund, reagiert und den heute zu beratenden Antrag eingebracht. Unsere zentrale Forderung lautet, dass an allen risikosensiblen und gefährdeten Orten mit erhöhtem Publikumsverkehr wie Flughäfen, Bahnhöfen und Seehäfen unverzüglich Videoanlagen mit Tag- und Nachtbetrieb eingerichtet werden. Die Aufzeichnungen der sollen der Aufklärung und Verhinderung von Straftaten dienen. Sie sind unverzüglich zu löschen, sobald sie nicht mehr benötigt werden. Dabei ist der Austausch der Daten mit Bundesgrenzschutz und Landespolizeien zu gewährleisten. Außerdem fordern wie die Bundesregierung auf, über eine umfassende Aufklärung und Sensibilisierung die Mitarbeit der Bevölkerung zu aktivieren und eine Gefährdungsanalyse vorzulegen.

 

Im Zentrum unserer Forderungen steht die flächendeckende und permanente Videoüberwachung an anschlagsrelevanten Orten.

Sie hat zwei Vorteile:

1.    Der BGS könnte bei Verdacht die Bänder anfordern und innerhalb kürzester Zeit den Täter ermitteln. Wie wir wissen, nahm die Ermittlung des Täters von Dresden damals über zwei Wochen in Anspruch.

2.    Die Installierung von Videokameras hätte aber auch eine abschreckende Wirkung – nicht nur für terroristische Aktivitäten, sondern auch für kriminelle Aktivitäten jedweder Art. Die sächsische Polizei hat mit der Überwachung des Bahnhofsvorplatzes in Leipzig dort inzwischen auch die Klein- und Drogenkriminalität völlig gebannt.

 

Zweifellos ist dabei das Bundesdatenschutzgesetz zu beachten. Es sind allerdings in der Zwischenzeit all diejenigen Lügen gestraft worden, die von Anfang an behaupteten, unser Antrag sei mit dem Datenschutz nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Das Gegenteil ist der Fall: der Dresdener Bahnhof wird bereits seit kurzem videoüberwacht. Am vergangenen Freitag hat der Bundesinnenminister Schily gemeinsam mit dem Sächsischen Innenminister Rasch die Anlage inspiziert. Beide bekräftigten, dass eine permanente Bildaufzeichnung mit Überschreibung der Bilder in einem Zeitraum von 48 Stunden rechtlich zulässig und sicherheitspolitisch dringend geboten ist.

Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt es, dass gerade in Dresden eben jene Sicherheitsstandards auf den Weg gebracht worden sind, die wir seit langem fordern. Und dennoch fragen wir uns – und mit uns die Bürger in unserem

Land -, warum es ein Dreivierteljahr dauert, bis die Politik endlich Maßnahmen ergreift.

Möglicherweise liegt das auch an den rechtlich komplizierten Befugnissen von Landespolizei, Bundespolizei und Deutsche Bahn AG. Die Landespolizeien haben nur die Überwachungskompetenz für die Bahnhofsvorplätze. Der BGS dagegen hat Kontrollbefugnisse in den Bahnhofsgebäuden. Punktuell, etwa bei Bahnreisen gewaltbereiter Fußballfans, übt der BGS diese Befugnis schon seit langem auch mit Videokameras aus. Der Bund kann aber nicht die Installierung permanenter Videoüberwachung im Bahnhofsgebäude verordnen. Denn im Gebäude gilt das Hausrecht der Deutschen Bahn AG.

Wir müssen daher heute fragen, wie kooperativ sich die Deutsche Bahn AG in den vergangenen Monaten verhalten hat. Die Antwort lautet, dass die Bahn AG lange Zeit als Bremser aufgetreten ist und kategorisch die Videoüberwachung aus Datenschutzgründen abgelehnt hat. Erst in jüngerer Zeit gibt sie zu, dass die sicherheitspolitische Notwendigkeit der Videoüberwachung auch mit den Erfordernissen des Datenschutzes vermittelt werden kann.

Es liegt mir aber fern, der Deutschen Bahn, die das Hausrecht in den Bahnhöfen ausübt, allein den schwarzen Peter zuzuschieben. Schließlich ist der Bund Mehrheitsaktionär der Deutschen Bahn. Mir scheint, dass er seinen Einfluss alles andere als optimal ausgenutzt hat. Sicherheitspolitisch haben wir wieder viel Zeit verloren.

Es ist zudem äußerst unbefriedigend, wenn Innenminister Schily neun Monate nach dem Dresdener Bombenfund in einer Pressemitteilung verkündet: „Videoaufzeichnung verbessert Sicherheit auf Bahnhöfen“, er aber keinerlei Auskunft darüber gibt, ob an den großen Bahnhöfen in Deutschland von dieser Möglichkeit bereits flächendeckend Gebrauch gemacht wird. Dies ist ganz offensichtlich nicht der Fall. Bei Dresden dürfte es sich vielmehr um ein ‚Pilotprojekt‘ handeln.

Aus diesem Grund fordert die CDU/CSU einen Bericht über die Gefährdungslage und eine systematische Auflistung aller bereits eingeleiteten und noch einzuleitenden Maßnahmen. In diesem Zusammenhang muss der Bundesinnenminister das Parlament auch über die Gründe der Verzögerung aufklären.

Rechtlicher Art dürften diese Gründe nicht sein: der Deutschen Bahn ist die  permanente Videoüberwachung ebenso erlaubt wie jeder Tankstelle.

Die CDU/CSU-Fraktion fordert daher den Bundesinnenminister auf, in Kooperation mit der Bahn das rechtliche Mögliche umzusetzen. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Verhandlungen am Unwillen der Deutschen

Bahn AG scheitern, bliebe dem Bund nur eine Alternative: dann müsste das Bundesgrenzschutzgesetz den Risiken unserer Zeit angepasst und der Bund zu den erforderlichen Maßnahmen ermächtigt werden.

Sollte der Innenminister an einem besseren Bevölkerungsschutz wirklich interessiert sein, wird sich die Union ihrer staatspolitischen Verantwortung nicht verschließen und ihm volle Rückendeckung geben.

Die Union ist die Partei des Rechtsstaates und der inneren Sicherheit. Dazu gehört für uns das Grundrecht der Bürger auf Sicherheit und Schutz vor Kriminalität und Terrorismus in allen Erscheinungsformen.