Günter Baumann, MdB
Rede von Günter Baumann, MdB am 30.11.2006 zu TOP 18: Antrag der Fraktion Die Linke
(Drs. 16/3536)
Entschädigung für Opfer nationalsozialistischer Verfolgung
Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Der vorliegende Antrag lenkt unseren Blick mal wieder auf die Thematik des
politischen Strafrechts in der Bundesrepublik zur Zeit des Kalten Krieges.
Es ist der Versuch, diejenigen, die erst einen freiheitlich-demokratischen
Rechtsstaat beseitigen wollten und einen Unrechtsstaat nach DDR Vorbild
etablieren wollten, von Kollaborateuren zu Opfern zu sterilisieren. Nicht
zuletzt um das sozialistische Regime der DDR mit dem der Bundesrepublik auf eine
Stufe zu stellen. In der 14. Wahlperiode bedienten sich die Antragsteller zur
Begründung einer Gesetzesinitiative der SED-Opfer, nun etliche Jahre später
sollen es die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung sein. Wie schon in der
Debatte am 17. Juni 1992 wird die CDU/CSU-Fraktion ihren Antrag entschieden
zurückweisen. Die Opfer, die sie in ihrem Antrag ansprechen, sind gerade keine
Opfer einer Diktatur.
Die KPD wurde 1956 durch das Bundesverfassungsgericht verboten, weil sie nach
ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger darauf aus war, die
freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen. Allein dem
Bundesverfassungsgericht obliegt dieses Entscheidungsmonopol nach Art. 21 Abs. 2
GG. Solange dies nicht geschehen ist, kann sich eine Partei in der
Öffentlichkeit gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung noch so
verfassungsfeindlich verhalten. Das Gericht kann aber im Gegenzug eine Partei
auch dann für verfassungswidrig erklären, wenn nach menschlichem Ermessen keine
Aussicht darauf besteht, dass sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer
Zeit werde verwirklichen können. Damit spielte es aus damaliger Sicht gar keine
Rolle, ob die KPD ihren Aufruf zum „revolutionären Sturz Adenauers“ je in die
Tat umsetzen konnte.
Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum KPD-Verbot kann aus
heutiger Sicht nicht mehr aufgehoben werden und im Übrigen wollen wir dies auch
nicht. Das verbietet uns schon das Prinzip der Gewaltenteilung. Somit ist auch
die von ihnen geforderte Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes nicht
durchsetzbar. Denn eines darf man nicht vergessen, das damals zur Anwendung
gekommene politische Strafrecht beruht auf einer rechtsstaatlichen Grundlage.
Auch wenn der Gesetzgeber 1968 mit dem achten Strafrechtsänderungsgesetz
rechtspolitisch gebotene Korrekturen des politischen Strafrechts aus dem Jahr
1951 vorgenommen und mit dem Straffreiheitsgesetz eine Amnestie geschaffen hat,
sind die sog. Staatsschutzurteile der 50er und 60er Jahre in einem
rechtsstaatlichen Verfahren erfolgt.
Zum Schluss möchte ich betonen, dass mir in meiner politischen Arbeit entgegen
die in ihrem Antrag angesprochene Personengruppe - die Opfer der SED-Diktatur -
besonders am Herzen liegen. Anders als in der Bundesrepublik waren die Richter
und Staatsanwälte bei ihrer Urteilsfindung innerhalb der DDR-Justiz nicht einem
Rechtsstaat verpflichtet. Unter diesem Blickwinkel waren dies hochgradige
Unrechtsurteile, die auf reine politische Verfolgung und Unterdrückung aus
waren. Die politische Strafjustiz der DDR war verbrecherisch und markantes
Merkmal einer Diktatur. Diese Opfer müssen endlich für ihren mutigen Einsatz für
Freiheit und Demokratie Gerechtigkeit erfahren. Durch die Festschreibung im
Koalitionsvertrag sind die Weichenstellungen für eine Opferpension getätigt. Nun
müssen wir diese Zielsetzung auch zügig umsetzen.
Wenn sie als Fraktion Die Linke nach Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte in
der Demokratie ankommen wollen, dann sollten sie ihren Antrag zurückziehen.
Vielen Dank