27.6.2008

 

Redebeitrag von MdB Günter Baumann, CDU/CSU-Fraktion:
Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages
im Jahre 2007 (TOP 41)
 


 

 

Sehr geehrter Herr Präsident (Frau Präsidentin),

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

in unserem Lande wird oft mit Recht kritisiert, dass sich zunehmend ein gewisses Maß an Politikverdrossenheit breit macht.
Wir stellen dies z.B. bei Wahlbeteiligungen fest, wonach teilweise nicht mehr als 25 % der Bürgerinnen und Bürger von ihrem demokratischen Recht auf Teilhabe an der Politik Gebrauch machen.

„Wir dürfen nicht müde werden zu fragen, was wir tun können, um unsere Demokratie attraktiv, aktuell und lebendig zu erhalten.“
Dieser Satz stammt von unserem Bundespräsidenten Horst Köhler.

Eines kann ich Ihnen heute hier versichern, der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages wird nicht müde und arbeitet Tag für Tag an den Sorgen und Nöten der Menschen in unserem Land. Der Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses für das Jahr 2007 zeigt dies in eindrucksvoller Art und Weise.

Beim verfassungsrechtlich garantierten Grundrecht, nachdem sich Jedermann mit Bitten und Beschwerden an die Volksvertretung wenden kann, stellen wir zumindest - nach meiner Einschätzung - einen anderen Trend als Politikverdrossenheit fest.

Immer mehr Bürgerinnen und Bürger nutzen die Möglichkeit sich hilfesuchend einzeln oder in Gemeinschaft an die Politik, sprich an den Petitionsausschuss, zu wenden.

 

Auch neue und moderne Formen im Petitionswesen, wie die Einreichung per   E-Mail, öffentliche Petitionen und die Mitunterzeichnung im Internet oder die Abgabe eines Kommentars werden von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen.

Ein paar wenige Zahlen sollen dies belegen:

16.260 Petitionen wurden 2007 neu eingereicht,

2007 gingen täglich 65 Petitionen neu ein, insgesamt haben sich mit Einzel-, Sammel- und Massenpetitionen fast 600.000  Bürgerinnen und Bürger an uns gewandt.

Insgesamt haben sich über 900.000 Menschen mit ihrer Mitunterzeichnung oder der Abgabe eines Diskussionsbeitrages am System der öffentlichen Petitionen beteiligt.

Ich denke dies sind beeindruckende Zahlen.

 

Die Bürgerinnen und Bürger erhoffen sich also bei ihrem ganz speziellen Problem, mit dem sie oft auf anderen Wegen gescheitert sind, Hilfe durch den Petitionsausschuss.

 

Es ist unsere wichtige Aufgabe als Politiker dieses Vertrauen der Menschen in uns nicht zu enttäuschen.

 

Bemerkenswert sollte für uns Politiker sein, dass ein hoher Anteil von Petitionen nicht das Ziel hat Gesetzlichkeiten zu verändern, sondern Bürger erhalten bei einer Verwaltungsbehörde nicht das ihnen zustehende Recht oder werden einfach falsch oder gar nicht beraten.

Hier gibt es manchen Nachholbedarf in Sachen Bürgernähe.

 

Die Frage stellt sich immer wieder, wie erfolgreich können wir sein.

In mindestens 48 % der Fälle konnten wir 2007 dem Petenten in irgendeiner Form helfen:

bei 16,8 % wurde dem Anliegen entsprochen,

bei 31,4 % erfolgte eine Erledigung durch Rat, Auskunft oder Materialübersendung

 

Hinzu kommen noch Petitionen die mit hohem Votum an die Bundesregierung überwiesen wurden oder durch andere Überweisung, z. B. an das Europäische Parlament.

 

Die Debatte zum Jahresbericht 2007 gibt mir die Gelegenheit, im Namen der CDU/CSU Bundestagsfraktion allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes für ihre fleißige, kompetente und immer sehr kollegiale Arbeit ganz herzlich zu danken. Ihre hervorragende Arbeit macht es uns erst möglich, dass wir in einer vertretbaren Zeit uns unsere Meinung bilden können.

Es ist auch normal, dass wir nicht immer mit der Meinung des Ausschussdienstes überein stimmen. Dies ist aber keine Kritik an der hohen Fachkompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschussdienstes. Der Blickwinkel eines Abgeordneten auf ein Problem ist eben manchmal anders als die Sicht der Verwaltungsexperten.

 

Ich möchte mich aber auch an dieser Stelle bei meinen Kolleginnen und Kollegen für das überwiegende gute Miteinander im Petitionsausschuss und in den Obleutegesprächen bedanken.

Parteipolemik hilft uns im Interesse der Bürgerinnen und Bürger beim Finden der bestmöglichen Lösung nicht weiter.

 

Der Jahresbericht gibt aber auch Gelegenheit für die Betrachtung zahlenmäßiger Veränderungen. Erneut stellen wir fest, dass prozentual auf die Einwohnerzahlen bezogen, ein großer Teil von Petitionen aus den neuen Bundesländern kommt.

Zum Beispiel kommen auf 1 Million Einwohner im Bundesdurchschnitt 198 Petitionen, in Sachsen 291 und in Brandenburg sogar 463 Petitionen.  

Das heißt aber nicht, dass die „Ossis“ am meisten meckern.

Die Ursachen liegen aus meiner Sicht in der im Osten Deutschlands höheren Arbeitslosenquote und den damit verbundenen Problemen, in den zum Teil gebrochenen Erwerbsbiografien der Menschen und auch in Problemen, die im Einigungsvertrag nicht konkret geregelt wurden.  

Auch 18 Jahre nach der deutschen Einheit müssen wir uns weiterhin für die materielle Angleichung der Lebensverhältnisse einsetzen.

Spezielle Themen der Neuen Bundesländer waren auch im letzten Jahr:

·        Offene Vermögensfragen, Sachenrechtsbereinigung, und immer noch Treuhandprobleme

·        Rentenfälle, Zusatzversorgung

·        SED-Opferpension: Gesetzliche Lösung

·        Kriegsspätheimkehrerentschädigung Ost: Gesetzliche Lösung

·        Grundsteuererlass bei strukturell bedingtem Wohnungsleerstand: Lösung in Sicht

·        ALG II und Probleme mit den Arbeitsagenturen oder Argen

 

Im Jahr 2007 haben wir vier Ortstermine durchgeführt und damit von einen besonderen Befugnis des Ausschusses Gebrauch gemacht.  

 

Zum Beispiel überreichten Petenten öffentlich vor dem Reichstag eine Petition die das Ziel hatte, dass bei der Wiedererrichtung des Neuen Museums die Fassaden und Innenräume – insbesondere die große Treppenhalle – weitestgehend originalgetreu wiederhergestellt werden und auf einen geplanten Ergänzungsbau verzichtet wird.

Der Ortstermin, unter Beteiligung zahlreicher Fachexperten, diente dazu dass sich die Mitglieder des Petitionsausschusses ein Bild vom Stand der Bauarbeiten machen und sich von den Verantwortlichen die Konzeption des Neuen Museums quasi am Objekt erläutern lassen konnten.

Allein schon durch diese öffentliche Wirkung konnte erreicht werden, dass ein neuer Entwurf erstellt wurde.

 

Seit Jahren schwellt der Konflikt zwischen Bürgerinitiativen und der Bundeswehr über die zukünftige Nutzung des früheren sowjetischen Truppenübungsplatzes Wittstock in der Kyritzer Heide.

 

In einer Vielzahl von Petitionen hatten sich Bürgerinitiativen und einzelne Bürger an den Ausschuss gewandt. Bei seinem vor Ort Termin konnte sich der Ausschuss zunächst einen Überblick über das Gelände verschaffen und sich die Positionen von Bundeswehr und Bundeswirtschaftsministerium und von den Petenten erläutern lassen.

 

Nach längerer Beratung zwischen den Abgeordneten der einzelnen Fraktionen konnte ein aus meiner Sicht vernünftiger Kompromiss zwischen den Belangen der Bundeswehr aber den Belangen der Bürgerinnen und Bürgern der Region und dem weiteren Erhalt und der Förderung des Tourismus gefunden werden.

Beide Petitionsverfahren sind derzeit noch nicht abgeschlossen aber jeweils zeichnen sich vernünftige Lösungen ab.

 

Wir Abgeordnete werden auch in Zukunft im Interesse einer sachlichen und fachlichen Beurteilung der Petitionen alle unsere Rechte, wie eben dargestellt Ortstermine, aber auch Berichterstattergespräche mit Vertretern der Ministerien und auch Akteneinsicht bei Behörden und auch Ministerien durchführen.

 

Einen besonderen Akzent setzten wir im Jahr 2007 wiederum auf die Öffentlichkeitsarbeit des Ausschusses.

Zum Beispiel präsentierte sich der Petitionsausschuss verstärkt auf Messen.

So führten wir, assistiert von Mitarbeitern des Ausschussdienstes, Bürgersprechstunden auf Messen in Leipzig, Saarbrücken, Mannheim, Hannover, Essen und Hamburg durch. Diese Art der Präsentation wurde von den Bürgerinnen und Bürgern sehr gut angenommen.

Die Menschen nutzten recht stark die Möglichkeit mit Politikern direkt vor Ort ins Gespräch zu kommen. Diese praktizierte Bürgernähe ist es auch ein wichtiger Beitrag den wir als Petitionsausschusses leisten und der mithilft Politikverdrossenheit abzubauen.

 

Das stärkt das Vertrauen in unsere lebendige Demokratie und ermutigt uns, gemeinsam diesen Dienst für unsere Bürgerinnen und Bürger fortzuführen.

 

Vielen Dank.