27.09.2012

 

Redebeitrag Günter Baumann, MdB:

zu Top 11 a und b des Deutschen Bundestages am Donnerstag, den 27.09.2012:

a) Bericht des Petitionsausschusses

Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag:
Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 2011
(Drs. 17/9900)

b) Bericht gem. § 56a GO-BT des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Technikfolgenabschätzung (TA) Elektronische Petitionen und Modernisierung des Petitionswesens in Europa
(Drs. 17/8319)

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin/ Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

in unserem Land wird oft mit Recht kritisiert, dass sich ein gewisses Maß an Politikverdrossenheit breit macht. Wir stellen dies besonders bei Wahlbeteiligungen fest, wo teilweise nur 25 % der Bürgerinnen und Bürger von ihrem demokratischen Recht auf Mitbestimmung gebrauch machen.

Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler sagte: „Wir dürfen nicht müde werden zu fragen, was wir tun können, um unsere Demokratie attraktiv, aktuell und lebendig zu erhalten.“

Mein persönlicher Eindruck ist, der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages wird nicht müde und arbeitet Tag für Tag an der Abhilfe der Sorgen und Nöten von Menschen in unserem Land.  Neben dem Wahlrecht bietet das Petitionsrecht die Möglichkeit, dass sich die Bürgerinnen und Bürger direkt an die Politik wenden.

Die Bürgerinnen und Bürger haben Vertrauen in unsere Arbeit und obwohl es eine Vielzahl von Beauftragten in den verschiedensten Ministerien, Behörden oder Institutionen gibt, ist die Zahl der Petitionen mit 15.000 bis 18.000 in den letzten Jahren nahezu gleich geblieben. 

Der Bericht des Petitionsausschusses für das Jahr 2011 belegt dies erneut in eindrucksvoller Art und Weise.

Einen herzlichen Dank allen Beteiligten, meinen Kolleginnen und Kollegen im Ausschusses, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiten ohne deren Hilfe wir die Aktenberge nicht bewältigen könnten und natürlich den Mitarbeitern des Ausschussdienstes, die mit hohen Sachverstand uns entscheidend zuarbeiten.  

Ich möchte hier behaupten, die Arbeit im Ausschuss ist erfolgreich und wir können auch etwas Stolz darauf sein. Erleben wir doch bei mancher Delegationsreise in die verschiedensten Länder, wie dort Bürgerprobleme teilweise ignoriert werde.

Einige wenige Zahlen zur Arbeit des letzten Jahres:

·  eingereichte Petitionen: 15.191, täglich 60 Petitionen

· 500.000 Mitzeichnungen bei öffentlichen Petitionen im Internet

·  728 Petitionen wurden im Ausschuss zur Einzelberatung aufgerufen

·  bei etwa 6.500 Petitionen konnten geholfen werden, durch hohes Votum, Rat oder Auskunft, dies sind immerhin fast 43 %

 

 

Auffällig ist immer noch, dass auch 22 Jahre nach der Deutschen Einheit prozentual auf die Anzahl der Einwohner bezogen, die meisten Petitionen aus den Neuen Bundesländern kommen:

Ø Berlin  477 Pet./1 Mill. Einwohner

Ø Brandenburg 256

Ø Sachsen 231

Ø Thüringen 203

Ø Bayern  137

Es gibt eben im Osten Deutschlands spezielle Probleme, die mit der Geschichte oder den Erwerbsbiographien von Menschen zusammen hängen. Es konnten auch nicht alle Themen im Einigungsvertrag geregelt werden.

·  Offene Vermögensfragen, Sachenrechtsbereinigung

·  Rentenfälle, Zusatzversorgung

 

Häufig nutzen wir unsere besonderen Befugnisse, um höhere Sachkenntnis bei einzelnen Petitionen zu erhalten und die Fachministerien auf das entsprechende Problem hinzuweisen.

32 Berichterstattergespräche:  zu Themen: Gesundheit, Verkehr und Lärmschutz, Vermögensfragen, Renten, Asyl und Spätaussiedler, Mit der Arbeitsebene einzelner Ministerien konnten in mehreren Fällen Lösungen gefunden werden.

Zum Beispiel gelang es durch mehrere Gespräche mit dem BMVBS und der Flugsicherung veränderte Flugtrassen für die Südabkurvung des Flughafens Leipzig festzulegen. Dadurch werden wesentlich weniger Bürgerinnen und Bürger durch Fluglärm in der Stadt Leipzig belastet.

Seit Jahren begleiten uns schwierige Härtefälle unter bestimmten Voraussetzungen die nachträgliche Einbeziehung vom im Herkunftsland verbliebenen Spätaussiedlern in den Aufnahmebescheid des bereits in Deutschland lebenden Familienmitgliedes vor zu nehmen. Nach mehreren Berichterstattergesprächen gelang es mit dem BMI eine Härtefallregelung zum  Bundesvertriebenengesetz zu schaffen. Diese wurde im September 2011 im Bundestag verabschiedet.

Auch der Änderung Bundesversorgungsgesetzes lagen Petitionen zu Grunde. In Berichterstattergesprächen konnte das Thema Angleich der Rentenleistungen für Berechtigte in den Neuen Bundesländern auf das Niveau der Alten Bundesländer anzuheben entsprechend begründet werden. Das Gesetz ist zum 1.7.2011 in Kraft getreten.  Dies betrifft besonders Kriegsopfer und Opfer des SED-Staates.

Mehrere Ortstermine: Zum Beispiel gelang es in Prora auf Rügen einen Kompromiss zum weiteren Erhalt eines geschichtsträchtigen Museums zu erreichen.

Oder in Wünsdorf, an der Bahnstrecke Dresden – Berlin, wo Lärmbelästigung durch abgestellte Züge auf der Strecke Berlin-Dresden die Bürger eines Wohngebietes besonders nachts verärgerten.  Stellungnahmen des BMVBS oder auch der Deutschen Bahn reichten uns nicht aus und erst nach einer Ortsbesichtigung wurde die Förderfähigkeit einer Lärmsanierungsmaßnahme bestätigt. Die DB Netz AG wurde daher aufgefordert, den betreffenden Abschnitt innerhalb der Gesamtkonzeption der Lärmsanierung als Härtefall vorzuziehen und die entsprechenden Maßnahmen zügig umzusetzen. Nach Zusage der DB erfolgt die Lärmsanierung 2015, mit dieser Aussage konnten wir das Petitionsverfahren positiv abgeschlossen.

Der schönste Erfolg ist für mich, wenn vom Petenten nach einem positiven Ausgang uns eine Rückinformation erreicht. Das geschieht nicht oft aber im letzten Jahr erreichten uns mehrere Schreiben.

 

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Am Ende möchte noch kurz zum Endbericht des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) zum Thema „Elektronische Petitionen und die Modernisierung des Petitionswesens in Europa“ Stellung beziehen. Der Bericht wurde am 15. März 2012 veröffentlicht und kommt zu der Empfehlung, dass die öffentliche Petition von der Ausnahme zur Regel erklärt werden sollte. Diese Einschätzung teile ich nicht.

Petitionen können elektronisch (z.B. per E-Mail oder über ein Webformular) eingereicht werden. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie damit auch im Internet veröffentlicht würden müssen.  Dafür gibt es einvernehmlich festgelegte Kriterien. Umgekehrt müssen im Internet nachlesbare Petitionen nicht auch elektronisch eingereicht worden sein.

Das Instrument der öffentlichen Petitionen, dass ursprünglich 2005 als Modellprojekt gestartet ist, hat sich als ständige Einrichtung auf der Internetseite des Deutschen Bundestages bewährt. Inzwischen werden monatlich zwischen 30 und 80 neue Petitionen im Internetportal eingestellt. Durch die Veröffentlichung im Internet werden einer breiten Öffentlichkeit Themen von allgemeinem Interesse vorgestellt.

Hierbei bemängelt der TAB-Bericht, dass nur jede siebente eingereichte Petition auch als Öffentliche Petition zugelassen wird. Aus unserer Sicht handelt es sich bei den Öffentlichen Petitionen um ein zusätzliches Angebot, dass einem besonderen Zulassungsverfahren unterliegen muss. Nicht jedes Anliegen eignet sich zur öffentlichen Diskussion oder ist von allgemeinem Interesse. Auch müssen Bestimmungen des Datenschutzes beachtet werden.  Unsere Verfahrensgrundsätze sind in dieser Frage eindeutig formuliert.  Die Behandlung einer Petition im nicht öffentlichen Petitionsverfahren ist keine  zweitrangige  Bearbeitung. Für mich ist jede Petition, jedes Anliegen gleichwertig und ich möchte bei meiner  Petitionsbearbeitung keinerlei Unterscheidung zwischen öffentlicher und nicht öffentlicher Petition machen. Die noch stärkere Bedeutung von Quoren drängt aus meiner Sicht das Individualgrundrecht aus Art. 17 Grundgesetz noch weiter in den Hintergrund.

Eine Petition zum Erfolg zu bringen muss für uns im Petitionsausschuss das entscheidende persönliche Anliegen sein, damit wir einen oder einer größeren Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern helfen können. Auch darf die Zahl der Unterstützer einer Petition und ihre Kommentare nicht den Ausschlag für die inhaltliche Bearbeitung geben..

Auch einen weiteren Vorschlag des TAB-Berichts zur Einrichtung eines parlamentarischen Ombudsmannes sehen wir kritisch. Dies hätte eine Abwertung des politischen Gewichts des Petitionsausschusses zur Folge, den ich keinesfalls befürworte. In vielen Ländern berichten wir von unserer positiven Einrichtung eines parlamentarischen Petitionsausschusses und haben kennen gelernt, das der Erfolg der Ombudsmänner oft von der Person und den Rahmenbedingungen abhängig ist.

Ein positives System zu verändern oder zumindest zu schwächen macht für mich keinen Sinn.

Versuchen wir unser Petitionssystem personell und finanziell entsprechend auszustatten, damit wir auf dem bisherigen Weg weiter erfolgreich sein können.

Vielen Dank