Günter Baumann MdB,
Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Petitionsausschuss
Redebeitrag zum Jahresbericht 2003 des
Petitionsausschusses
am 05. Juni 2003
Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren
die Debatte zum Jahresbericht des Petitionsausschusses über seine Tätigkeit im
Jahr 2002 gibt mir Gelegenheit, auf einige Schwerpunkte unserer Arbeit besonders
aufmerksam zu machen.
Zunächst möchte ich jedoch namens der CDU/CSU-Fraktion allen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern des Ausschussdienstes für ihre fleißige und immer sehr
kollegiale Arbeit herzlichst danken.
Nur durch ihre gute Zuarbeit können wir als parlamentarische Berichterstatter
überhaupt erreichen, dass Petitionen sachgerecht bearbeitet werden konnten.
Ein gleicher Dank den Mitgliedern meiner Arbeitsgruppe für ein sehr gutes
Miteinander und auch unseren Kollegen Hubert Deittert, der vor mir vier Jahre
lang das Amt des Obmannes der CDU/CSU-Fraktion im Petitionsausschuss inne gehabt
hat.
Das Petitionsrecht ist ein Grundrecht, das in Artikel 17 des Grundgesetzes
verankert ist, aber dennoch gelegentlich unterschätzt wird.
Das von der Verfassung garantierte Recht, sich jederzeit mit Bitten und
Beschwerden schriftlich an die Volksvertretung wenden zu können, verdient meines
Erachtens noch größere Beachtung in unserer Gesellschaft.
Die große Zahl von Petentinnen und Petenten, die sich alljährlich an uns mit
Bitten und Beschwerden wenden, macht deutlich, dass eine Petition an den
Deutschen Bundestag für viele Menschen sich mit einer großen Hoffnung auf Hilfe
verbindet, oft ist es ihr letzter Ausweg.
Es ist gut heute hier feststellen zu können, dass der Petitionsausschuss bisher
in vielen Fällen auch Verbesserung für Bürgerinnen und Bürger erreichen konnte.
Manche Petitionen können zwar erst nach mehreren Wahlperioden positiv
abgeschlossen werden, wie das Beispiel vom Truppenübungsplatz Vogelsang in der
Eifel zeigt.
Es gibt aber auch Petitionen, die z.B. der Bundesregierung vom
Petitionsausschuss zur Berücksichtigung übergeben werden – also mit dem höchsten
Votum - und lassen sich doch nicht zu einem guten Ende führen. Hier wünschte ich
mir manchmal, dass die Ministerien mehr Kraft für sinnvolle Lösungen
aufwendeten, als das sie ihre schon bisher geltend gemachten Bedenken
fortzuschreiben.
Beeindruckender als die Anzahl der neu eingereichten Petitionen im Jahr 2002 -
mit knapp14.000 - finde ich noch die Zahl der über 22.000 erledigten Petitionen,
über die der vorliegende Bericht Rechenschaft ablegt.
Erwähnen möchte ich auch die unter den Fraktionen im Allgemeinen recht gute
Zusammenarbeit im Petitionsausschuss.
Wenn sich Bürger mit Beschwerden und Problemen über die verschiedenen
Verwaltungen an den Ausschuss wenden, sind Lösungen in der Regel im Konsens
aller Fraktionen möglich.
Anders sieht es bei Bitten um gesetzgeberische Maßnahmen aus.
Da spielen die Mehrheitsfraktionen oft ihre Mehrheit aus, leider nicht im Sinne
der Petenten.
Gelegentlich macht der Ausschuss auch von seinen Rechten Gebrauch, einen
Ortstermin wahrzunehmen, Akten einzusehen oder einen Vertreter der
Bundesregierung anzuhören.
Auch dabei kann man Erstaunliches erleben:
Ein Minister, der in Fernseh–Talkshows vollmundig das Petitionsrecht preist und
die Arbeit des Ausschusses würdigt, folgt der Ladung in den Petitionsausschuss
selber nicht und schiebt dafür fadenscheinige Gründe vor. Es wirft kein gutes
Licht auf einen Verfassungsminister und die Bundesregierung insgesamt, wenn
Worte und Taten derart auseinander klaffen! Auch hier sollte der Respekt vor dem
Bundestag und dem Petitionsausschuss gewahrt werden.
Dass die Mitgliederzahl im Petitionsausschuss in dieser Legislaturperiode leider
erneut verkleinert wurde, trägt nicht gerade zur Steigerung der Attraktivität
dieses Ausschusses bei.
Denn bei einer geringeren Zahl von Mitgliedern kommen im Durchschnitt auf jeden
Abgeordneten mehr zu bearbeitende Petitionen.
Ich möchte daran erinnern, dass in der vergangenen Wahlperiode mehrere
Abgeordnete der beiden großen Fraktionen über eintausend Petitionen als
Berichterstatter bearbeitet haben.
Dabei möchte ich auf der anderen Seite ausdrücklich unterstreichen, dass die
Tätigkeit im Petitionsausschuss gerade für neu gewählte Abgeordnete eine gute
Schule ist: Erhält man doch nirgendwo einen so guten Überblick über die Sorgen
und Wünsche der Bürgerinnen und Bürger.
Nirgends spiegeln sich Sinn und Unsinn der Gesetzgebung und Licht und Schatten
der Verwaltungstätigkeit in unserem Lande so anschaulich wieder wie im
Petitionsausschuss.
Daher würde ich mir wünschen, dass dessen Arbeit ein größeres Echo in der
Öffentlichkeit finden würde. Das Presseecho z. B. nach der Übergabe des
Jahresberichts an den Bundestagspräsidenten in der vorletzten Woche war doch
eher dürftig.
Als Abgeordneter aus den Neuen Bundesländern finde ich es erfreulich, dass sich
der Petitionsausschuss in den vergangenen Jahren immer stärker als Anwalt dieser
Bürgerinnen und Bürger besonders betätigt hat.
Bekanntlich nutzen die Ostdeutschen diese Möglichkeit der demokratischen
Teilhabe am intensivsten.
Die Sachsen zählen in Deutschland zu den fleißigsten Petenten.
So kamen im Jahr 2002 auf eine Million Einwohner in Sachsen 319 Eingaben an den
Deutschen Bundestag.
Nur die Berliner haben mehr Briefe geschrieben!
Die meisten Petitionen aus den neuen Ländern sind Hilferufe aus dem
bürokratischen Dickicht unserer Gesetzgebung.
Sie bitten zum Beispiel um Aufklärung über unverständliche Rentenbescheide. Oder
aber eine allein erziehende Mutter fragt, warum vom Unterhaltsvorschuss für das
erste Kind regelmäßig die Hälfte des Kindergelds wieder abgezogen wird.
Eine traurige Aktualität erlangte im vergangenen Jahr die Bitte einer
Bürgerinitiative, die ein Ende des Elbeausbaus in Sachsen-Anhalt forderte. Der
Petitionsausschuss informierte sich vor Ort über den Stand der Baumaßnahmen. Die
Warnung der Petenten, eine Erhöhung der Fließgeschwindigkeit des Flusses habe
ökologisch bedenkliche Folgen, sollte bald schon von der Wirklichkeit der
Jahrhundertflut übertroffen werden.
Viele Petitionen aus den neuen Ländern haben es aber auch mit der Aufarbeitung
des SED-Unrechts zu tun.
Da sind vor allem die politisch Verfolgten der DDR-Diktatur: deren Renten liegen
heute zum Teil unter Sozialhilfeniveau, weil sie durch Haft und berufliche
Behinderungen von einem normalen Erwerbsleben Jahrzehnte lang ausgeschlossen
worden sind.
Es erreichen den Ausschuss auch immer wieder Enteignungs-Fälle, für die im
Vereinigungsvertrag keine Regelung getroffen worden ist.
So warten im Fall der „stecken gebliebenen Entschädigungen“ noch heute Bürger
der ehemaligen DDR auf das Geld, das ihnen von dem untergegangenen Staat
versprochen und für dessen Zahlung im neuen Staat bislang niemand zuständig ist.
Aber selbst in Vermögensfällen, die vom Einigungsvertrag klar geregelt worden
sind, ist so mancher nie ans Ziel gekommen.
Der Jahresbericht 2002 dokumentiert so einen besonders harten Fall:
Ein mittelständischer Unternehmer aus Sachsen wird 1972 enteignet, flüchtet in
den Westen und baut dort einen neuen Betrieb auf.
Als die Mauer fällt, kehrt er in seine Heimat zurück um den alten Betrieb wieder
zu übernehmen. Obwohl alle Voraussetzungen für eine Rückübertragung vorliegen
und der Betroffene fristgemäß seinen Antrag gestellt hat, bekommt er seinen
Betrieb nie zurück.
Stattdessen wird er über Jahre von der Treuhandanstalt und vom Vermögensamt
hingehalten – so lange, bis sein Eigentumsanspruch verfallen ist!
Sein altes Unternehmen, das noch bis nach der Wende produzierte, wird in der
Zwischenzeit liquidiert, die Maschinen werden unter dubiosen Umständen ins
Ausland verkauft.
Jahrelange Gerichtsverfahren bringen außer hohen Kosten keinen Erfolg.
In diesem Fall hat der Ausschuss alle seine Befugnisse in einem Maße
ausgeschöpft, wie das selten der Fall ist:
Wir führten mehrere Gespräche mit der Treuhand bzw. ihren
Nachfolgeorganisationen und dem Bundesfinanzministerium und nahmen bei allen
zuständigen Behörden Akteneinsicht.
Wir mussten auch den Petitionsausschuss des sächsischen Landtages in den Vorgang
mit einbeziehen, weil nur dieser eine Landesbehörde vorladen konnte.
Nur dank der guten Kooperation der beiden Petitionsausschüsse war es schließlich
möglich, alle Beteiligten in Berlin an einen Tisch zu versammeln. Auf die
Entschädigung, die wir vorher Monate lang vergeblich gefordert hatten, konnten
wir uns jetzt ziemlich schnell einigen.
Nach ca. 12 Jahren hat damit der Petent nicht sein Eigentum, aber wenigstens
eine angemessene Wiedergutmachung erhalten.
Meine zusammenfassende Einschätzung unserer Arbeit im Petitionsausschuss im Jahr
2002 ist:
Wir haben durch fleißige Arbeit und sachlichen Meinungsstreit vielen Bürgern im
Lande geholfen und oft damit ein Stück Vertrauen in unsere demokratische
Grundordnung bei diesen Bürgern wiedergewinnen können.
Dies sollte für uns Ansporn
genug sein, unsere Arbeit im Petitionsausschuss mit gleicher Intensität
fortzusetzen.