Rede des MdB Günter Baumann am 28. Juni 2002 zur Tätigkeit des Petitionsausschusses im Jahr 2001

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren

Als ich 1998 meine Arbeit im Deutschen Bundestag begann und für den Innen- und Petitionsausschuss nominiert wurde, eilte dem Petitionsausschuss kein besonders guter Ruf voraus.

Erfahrene Kollegen warnten vor einem großen Arbeitsaufwand oder andere klagten über die Komplexität der Themen, die bis in die feinsten Verästelungen der Gesetzgebung gehen.

 

Für mich kann ich nach vier Jahren Ausschussarbeit, und das gilt besonders auch für das heute zu diskutierende Jahr 2001, eine positive Bilanz ziehen.

Zum einen hat die Themenvielfalt ein Gutes:

In keinem anderen Gremium haben die Abgeordneten die Möglichkeit, die Sorgen und Nöte unserer Gesellschaft so umfassend kennen zu lernen: vom Rentenrecht über das Gesundheitswesen bis zu Fragen der inneren Sicherheit.

Zum anderen, und für diese Erfahrung bin ich besonders dankbar, sind sachorientierte Lösungen über die Parteigrenzen hinweg in diesem Ausschuss viel eher möglich als in anderen Ausschüssen.

 

Das hängt zweifellos mit dem starken Sachbezug der Petitionen selbst zusammen. 

 

Bekanntlich wird das Petitionsrecht von den Bürgern der neuen Bundesländer weitaus intensiver genutzt als von denen der alten Länder. In Sachsen z.B. kamen im Jahr 2001 auf eine Million Bürger

397 Petitionen, in Nordrhein-Westfalen waren es nur 131.

Bürgerprobleme der neuen Länder bilden so einen Schwerpunkt der Ausschuss-Arbeit.

Als ostdeutscher Abgeordneter bekomme ich diese besonders häufig zur Bearbeitung.

Oft geht es hierbei um die unbewältigten Probleme der DDR-Vergangenheit, zum Beispiel offener Vermögensfragen.

So hat sich der Ausschuss in dieser Legislaturperiode einmütig für eine gesetzliche Regelung der so genannten „steckengebliebenen Entschädigungen“ eingesetzt.

Hierbei handelt es sich um Entschädigungen für enteignetes Vermögen, die von der DDR nur zugesagt, aber nicht ausgezahlt wurden.

Die betroffenen Bürger haben noch bis vor kurzem auf die Auszahlung vergeblich gewartet.

Jetzt haben sie einen Rechtsanspruch.

Außerdem beschäftigen den Ausschuss immer wieder vermögensrechtliche Streitfragen mit der ehemaligen Treuhandanstalt.  Dabei kann der Ausschuss  von seinen besonderen Rechten profitieren. Bei unklarer Sachlage kann er Akteneinsicht beantragen und auch unabhängige Sachverständige  laden.

Als wertvoll hat sich überdies auch die Kooperation mit den Petitionsausschüssen der Bundesländer erwiesen.

 

Diese Möglichkeiten haben wir in einem Fall besonders intensiv genutzt:

Dem betroffenen Petenten war 1972 sein mittelständischer Betrieb enteignet worden. Obwohl nach der Wende alle Voraussetzungen für eine Rückübertragung vorlagen, hat der Alteigentümer seinen Betrieb nie zurückerhalten. Dank der hervorragenden Kooperation aller Berichterstatter und des Engagements von Mitarbeitern der Büros und des Ausschussdienstes, war es uns möglich, Licht in diesen verwickelten Fall zu bringen.

In monatelangen Verhandlungen mit den zuständigen Behörden konnten wir den Weg für eine Entschädigungslösung freimachen.

An dieser Stelle möchte ich mich namentlich bei meinen Mitstreiterinnen Jutta Müller, Heidemarie Ehlert und der Ausschuss-Vorsitzenden Heidemarie Lüth für die hervorragende Zusammenarbeit bedanken. 

Ich möchte aber nicht den Eindruck erwecken, der Ausschuss sei eine reine Harmonieveranstaltung.

Gerade bei Problemfeldern, auf denen die jetzige Regierung bereits gesetzgeberisch tätig geworden ist oder Anträge der Opposition abgelehnt hat, sind auch die Ausschussmitglieder der Koalition leider meistens nicht zu Kompromissen bereit.

Insbesondere zwei Petitionsverfahren, die typisch für die Probleme in den neuen Ländern sind, scheiterten am Willen von Rotgrün.

Erstes Beispiel: Eine Kreishandwerkerschaft aus Finsterwalde hat einen Lösungsvorschlag gemacht, wie der mangelnden Zahlungsmoral von Auftraggebern auf dem Bausektor entgegengetreten werden könne.

Die Koalition weigerte sich, diese Petition wenigstens der Regierung zur Kenntnis zu geben. Sie hielt das Gesetz der Regierung zur „Beschleunigung fälliger Zahlungen“ offenbar bereits für vollkommen. Jeder weiß, dass das Gegenteil der Fall ist.

Gerade im Osten summieren sich weiterhin die Außenstände mittelständischer Handwerksbetriebe in Millionenhöhe und es gibt für die Betroffenen noch keine hinreichenden Mittel gegen drohende Firmenpleiten.

 

Zweitens: Viele Petenten aus den neuen Ländern beklagen die Gerechtigkeitslücke zwischen Tätern und Opfern des SED-Regimes.  Durch höchstricherliche Entscheidungen wurden die Rentenansprüche ehemaliger Partei- und Stasifunktionäre schon mehrmals nachgebessert. Für die Verfolgten dagegen sind echte Verbesserungen im Rentenrecht so gut wie ausgeblieben. Viele Opfer haben daher mit  Petitionen eine „Ehrenpension“ gefordert.

Da dies seit längerem eine Forderung der CDU/CSU ist, scheiterten auch diese Petitionen an der parteipolitischen Konstellation.

 

Trotz alledem fällt meine Bilanz der Ausschussarbeit insgesamt positiv aus.

Bei den meisten Petitionen ist der Ausschuss auch im Jahr 2001 zu pragmatischen und überparteilichen Lösungen gekommen. Er bietet so auch den Abgeordneten der Opposition mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten als in anderen Ausschüssen.

Das Wichtigste aber ist, der Petitionsausschuss wird von den Bürgern angenommen und das zeigt deutlich die alljährlich große Anzahl der Bitten und Beschwerden.