Günter Baumann, MdB

 

Debatte zum Tätigkeitsbericht 2006 des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages

am 20. September 2007. (Drs. 16/ 6270)

 


 

Herr Präsident (Frau Präsidentin), meine Damen und Herren,

 

Geschichtlich betrachtet hat das Petitionsrecht eine lange Tradition.

Schon im alten Rom zu Zeiten von Julius Cäsar waren Petitionen oder auch Supplikationen bekannt.

Auch in der Deutschen Geschichte lassen sich viele Vorläufer des heutigen Petitionsrechtes finden.  Zwar haben Ernst August Herzog von Sachsen 1737 und Kaiser Friedrich Wilhelm I. 1739 noch angedroht, Untertanen einzukerkern oder aufzuhängen, sollten diese sie mit Petitionen belästigen, jedoch gestattete Friedrich der Große erstmals 1744 in einer Bekanntmachung „Jeder darf seine Bitten, Gesuche und Beschwerden eigenhändig bei mir vorbringen und der genauesten Erwägung sicher sein“.

 

Die Geschichte hat gezeigt, dass die aktive Beteiligung der Menschen am politischen Geschehen die Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie ist. Den Mitgliedern des Petitionsausschusses kommt dabei die verantwortungsvolle Aufgabe zu, diese Beteiligung nicht zu einer hohlen Hülse verkommen zu lassen.

Der Petitionsausschuss bietet hierfür eine doppelte Chance.

Einmal für den Bürger direkt mit dem Parlament zu kommunizieren und gegebenenfalls Hilfe zu erlangen, und zum anderen eine Chance für das Parlament, eine direkte und praxisnahe Rückkopplung über seine Gesetzgebung und deren Umsetzung zu bekommen.

 

Ein Jahresbericht ist immer eine Sternstunde für Statistiker.

Er verdeutlicht zunächst einmal eine Menge Zahlen zur Eingabe- und Erledigungsstatistik. 

Der Petitionsausschuss ist wie die Jahre zuvor ein „politischer Seismograph, dessen Eingangsstatistik auch viel über die regionalen Besonderheiten im wiedervereinten Deutschland wiedergibt.“

2006 gingen beim Petitionsausschuss 16.766 Petitionen und Eingaben ein.  Somit zeichnete sich hier ein Rückgang von reichlich 5 000 Petitionen zum Jahr 2005 ab.

Ca. 35% dieser Petitionen wurden in irgendeiner Form für den Petenten  positiv beschieden.  Über 20.000 Einzelfälle wurden durch den Ausschuss im Berichtsjahr abschließend bearbeitet. Wenn man alle Unterzeichner von Einzelpetitionen, Massenpetitionen, Sammelpetitionen und öffentliche Petitionen in der Gesamtheit betrachtet, haben sich insgesamt 370.000 Bürgerinnen und Bürger mit einem Anliegen an den Deutschen Bundestag gewandt.

Der Jahresbericht gibt aber auch reichlich Gelegenheit für die Betrachtung zahlenmäßiger Veränderungen.

Für mich als Abgeordneter aus den neuen Bundesländern sind dabei die Petitionen gerade aus dieser Region Deutschlands von besonderem Interesse. Bemerkenswert ist hierbei der anteilige Rückgang von Petitionen aus den Neuen Bundesländern zur Gesamtzahl von 42, 7 %  im Jahr 2005 auf 22, 7% 2006.

Prozentual auf die Einwohnerinnen und Einwohner der jeweiligen Bundesländer bezogen, muss man feststellen, dass aus den neuen Bundesländern trotzdem die meisten Eingaben kommen. Spitzenreiten sind, außer der Betrachtung von Berlin, -  Brandenburg, Sachsen, Sachsen/Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Zum Beispiel liegen die Eingabezahlen aus Sachsen genau doppelt so hoch wie die aus Bayern.

 

Worin liegt es nun begründet, dass sich besonders viele Bürgerinnen und Bürger aus den neuen Ländern an den Petitionsausschuss wenden?

Viele Menschen aus der ehemaligen DDR nehmen nach ihren Erfahrungen unter einer Diktatur, besonders ihr Recht wahr, Entscheidungen zu hinterfragen und überprüfen zu lassen.

Auch 17 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung müssen wir uns weiterhin für die materielle Angleichung der Lebensverhältnisse einsetzen. Die Anrufung des Petitionsausschusses konnte hier wie in den Jahren zuvor in vielen Fällen Abhilfe schaffen.

So wurde beispielsweise eine hohe Anzahl von Petitionen von Opfern des SED-Regimes eingereicht. Diese Gruppe konnte nun endlich mit dem am

1. September 2007 in kraftgetretenen 3. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz für ihren mutigen Einsatz für Freiheit und Demokratie Gerechtigkeit erfahren.

Mehrere Petenten kritisierten die unterschiedlich hohe Bemessung des ALG II in den alten und den neuen Bundesländern. Hier konnte erreicht werden, dass seit dem 1. Juli 2006 die monatliche Regelleistung für ALG II Empfänger nun einheitlich auf 345 € festgesetzt wurde.

 

Auch die unterschiedlichen Rentenbiografien zwischen Ost- und Westdeutschen geben weiterhin Anlass zu einer konstant hohen Zahl von Eingaben.

Der Einigungsvertrag und die daraufhin erlassenen Gesetze konnten nicht alle Unterschiede beseitigen. Weiterhin gibt es speziell bei vermögensrechtlichen Fragen noch Einzelfälle, die im Zusammenhang mit dem Handeln der Treuhand oder ihrer Nachfolgeorganisationen noch nicht für alle Seiten befriedigend gelöst werden konnten. Diese Themen bleiben auf der Agenda unseres Ausschusses. 

 

Im letzten Jahr hat der Petitionsausschuss ein Mal von seinem laut Grundgesetzes eingeräumten besonderen Befugnissen Gebrauch gemacht, indem er einen Ortstermin durchführte.

Der private Betreiber eines Museums, das unmittelbar an der Edertalsperre in Hessen liegt und sich mit der Zerstörung der Talsperre 1943, dem Luftkrieg über Deutschland im 2. Weltkrieg und dem Schicksal jüdischer Mitbürger von Edertal befasst, hatte sich über die Kündigung des Mietverhältnisses durch das örtliche Schifffahrtsamt beschwert und den Petitionsausschuss darum gebeten, sich dafür einzusetzen, das Museum weiterhin an Ort und Stelle betreiben zu dürfen.

Der Ortstermin am 16. November 2006 wurde von allen Beteiligten gut angenommen. Alle bekamen die Gelegenheit ihre Argumente vorzutragen.

Im Ergebnis konnte der Petitionsausschuss hier in einem Einzelfall zu Gunsten des Petenten vermittelnd tätig werden. Es konnte letztlich erreicht werden, dass der Petent sein Museum bis zum Jahresende in den alten Räumlichkeiten fortführen darf damit er in Ruhe nach einem zukünftigen Standort suchen kann.

Eine geschichtsträchtige Bildungsstätte auch gerade für Schulen wurde erhalten.

 

Diese unterschiedlichen Beispiele zeigen, dass wir bei der Durchsetzung unserer Voten Ausdauer, Hartnäckigkeit und hohen Zeitaufwand an den Tag legen.

Ich denke, das wissen die Petenten und Petentinnen die sich an uns wenden, weil sie sicher sein können, dass wir ihre Probleme auch ernst nehmen.

Es ist erfreulich, wie stark sich Bürgerinnen und Bürger über Petitionen in die Politik einbringen, auch ein Zeichen bürgerschaftlichen Engagements.

 

Einen besonderen Akzent setzten wir im Jahr 2006 auf die Öffentlichkeitsarbeit des Ausschusses.

Zum Beispiel präsentierte sich der Petitionsausschuss verstärkt auf Messen. So führten wir, assistiert von Mitarbeitern des Ausschussdienstes, Bürgersprechstunden auf Messen in Rostock, Erfurt, Wächtersbach und Dortmund durch.

Diese Art von Werbung für unsere Arbeit wurde von den Bürgerinnen und Bürgern sehr gut angenommen.

Die Stände des Petitionsausschusses wurden durchweg gut besucht und wir bekamen direkt vor Ort die Sorgen und Nöten der Bürger zum Anfassen mitgeteilt. Diese Form der Bürgernähe ist ein wichtiger Beitrag der mithilft Politikverdrossenheit abzubauen.

 

Die Debatte zum Jahresbericht 2006 gibt mir jedes Jahr die Gelegenheit, im Namen der CDU/CSU Bundestagsfraktion allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes für ihre fleißige und kompetente und immer sehr kollegiale Arbeit ganz herzlich zu danken. Ohne ihre Tätigkeit wäre es uns nicht möglich, die jedes Jahr noch anwachsenden Berge zu bewältigen.

Wir Abgeordnete brauchen einen bewährten Stamm gut qualifizierter und engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Büros und beim Ausschussdienst, um die breite Palette der Anliegen der Bürgerinnen und Bürger fachlich bearbeiten zu können. 

Ihnen allen einen herzlichen Dank!

 

Unser erreichtes hohes Niveau bei der Bearbeitung von Petitionen stärkt das Vertrauen in unsere lebendige Demokratie und ermutigt uns, gemeinsam diesen Dienst für unsere Bürger fortzuführen.

 

Vielen Dank