Günter Baumann, MdB

 

Debatte zum Tätigkeitsbericht 2005 des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages

am 21. September 2006. (Drs. 16/2500)

 


 

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

 

wir beklagen in unserem Land in zunehmendem Maße niedrige Wahlbeteiligungen, zurückgehendes Engagement vieler Bürger für die Gemeinschaft, kurz gesagt  - Politikverdrossenheit.

Dies hat verschiedene Ursachen und es muss unser aller Anliegen sein dem zu begegnen.

In der Arbeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages stellen wir erfreulicher Weise eine ganz andere Entwicklung fest.

 

Die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die von ihrem im Grundgesetz verankerten Recht gebrauch machen, sich mit Bitten oder Beschwerden an den Bundestag zu wenden, nimmt zu.

 

Im Jahr 2005 über 21.000 Petitionen, die zweithöchste Zahl nach 1992.

Dafür sehe ich zwei Hauptursachen, zum einen machen wir für unsere Tätigkeit immer stärker Werbung, indem wir zum Beispiel mit einem sehr informativen Stand auf mehreren Messen im Jahr für die Bürgerinnen und Bürger als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

Aber das Ansteigen der Petitionen hat auch zweitens etwas mit für den Bürger unverständlichen Gesetzen und der teilweise bürokratischen Anwendung durch die verschiedensten Behörden im Lande zu tun.

 

Hinter jeder Petition verbirgt sich ein Mensch mit seinem kleineren oder größeren Problem, der teilweise schon mit seinem Anliegen an anderen Stellen gescheitert ist und nun im Petitionsausschuss seine letzte Hoffnung auf Hilfe sieht.

Auch in diesem Jahr ist hierbei der Anteil der Bürgerinnen und Bürger aus den neuen Bundesländern prozentual am höchsten. 

Gemessen am Bundesdurchschnitt fallen auf den Osten Deutschlands rund 43 % aller Petitionen, etwa  9.500, zum Vorjahr fast 50 % mehr.

Ein Zeichen, dass sich hier Menschen über Petitionen besonders stark in die Politik einbringen.

 

Die Themen der Petitionen im Ausschuss sind ein politischer Seismograph, der auch die regionalen Besonderheiten im wiedervereinten Deutschland widerspiegelt.

So stehen eben zum Beispiel Probleme des Arbeitsmarktes, der sozialen Sicherung, oder der Rentenanrechnung in den neuen Bundesländern besonders im Mittelpunkt der Menschen.

Oder auch Probleme der Privatisierung der ehemaligen staatlichen Betriebe sind eben reine „Ost-Themen“.

 

Ein konkretes Beispiel: So kritisierten beispielsweise mehrere Petenten die unterschiedlich hohe Bemessung des ALG II in den alten und den neuen Bundesländern. In den unterschiedlichen Regelsätzen liege nach ihrer Ansicht eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Der Gesetzgeber habe nach Art. 3 des Grundgesetzes wesentlich Gleiches auch im Wesentlichen gleich zu behandeln. Der Petitionsausschuss folgte dieser Argumentation und vertrat die Auffassung, dass die unterschiedliche Höhe der monatlichen Regelleistung nicht mehr mit dem Hinweis auf niedrigere Nettoeinkommen, geringere Lebenshaltungskosten bzw. Verbraucherverhalten im Osten zu rechtfertigen sei. Vor diesem Hintergrund empfahl der Ausschuss die Petition dem  Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit zur Erwägung zu überweisen mit der Zielsetzung diese Ungleichbehandlung zu beseitigen.

Letztendlich gilt seit 1.7.2006 eine einheitliche Regelleistung von 345,- €.

 

Auch die unterschiedlichen Rentenbiographien zwischen Ost- und Westdeutschen geben weiterhin Anlass zu einer Vielzahl von Eingaben.

Der Einigungsvertrag und die daraufhin erlassenen Gesetze konnten nicht alle Unterschiede beseitigen.

 

 

Mir persönlich ist eine Gruppe von Betroffenen ganz  besonders wichtig.

Es sind diejenigen, die überhaupt keine oder nur geringe Rentenansprüche stellen können, weil ihnen eine „normale“ Erwerbsbiografie in der DDR verweigert wurde. Die Opfer des SED-Regimes müssen endlich für ihren mutigen Einsatz für Freiheit und Demokratie  Gerechtigkeit erfahren.

Die Festschreibungen im Koalitionsvertrag müssen nun dringend und zügig umgesetzt werden.

Angesichts der wiederholten Rentenanpassung für staatsnahe Funktionäre, kann man es den SED-Opfern schwer vermitteln, dass für sie, außer den Rehabilitierungen, hinsichtlich einer Entschädigung noch nichts unternommen werden konnte.

Zu diesem Thema hatten wir zahlreiche Petitionen, die wir nun hoffentlich noch in diesem Jahr erfüllen können.

 

Nach diesen Problemen aus den neuen Bundesländern noch eine Erfolgsstory, die im letzten Jahr ihren positiven Abschluss fand – das Postleitzahlenbuch. 1993 gab es die letzte Auflage des Postleitzahlenbuches in Deutschland.

Zum Ärger vieler Bürger erfolgte durch die Deutsche Post keine Aktualisierung mehr. Viele Menschen in unserem Land, die keinen Computer besitzen, hatten Probleme, Briefe mit aktuellen Postleitzahlen zu adressieren.

Anfang 2002 gingen hierzu die ersten Petitionen ein.

Der Ausschuss entschied sich parteiübergreifend das Problem zu lösen und überwies die Petition der Bundesregierung als Material.

Zunächst sah das Wirtschaftsministerium kein allgemein begründetes Interesse an einem aktuellen Postleitzahlenbuch. Damit gab sich der Ausschuss aber nicht zufrieden.

Erst nach einer repräsentativen Befragung von Bundesbürgern in der sich 90 % dafür aussprachen, entschied sich die Deutsche Post für eine Neuauflage.

Post-Vorstand Hans-Dieter Pertram überreichte Ende September 2005 den Obleuten im Petitionsausschuss von CDU/CSU und SPD in einer Filiale der Deutschen Post in Berlin unter großem Medieninteresse symbolisch das neue Postleitzahlenbuch.

Trotz eines Preises von 6,95 € ist es sehr stark gefragt.

Wenn ich gerade bei dem Thema Post bin:

auch bei der zumindest teilweisen Erhaltung des Filialnetzes der Deutschen Post AG, war der Petitionsausschuss erfolgreich. Viele Bürger aus Gemeinden und kleineren Ortschaften äußerten Kritik an den geplanten Schließungen von Postfilialen.

Das Unternehmen erklärte sich daraufhin zu einer erneuten Standortüberprüfung bereit und nahm in mehren Fällen ihre Pläne zur Schließung zurück oder es wurde zumindest die Versorgung durch ein Basissortiment sichergestellt.

 

Neben Fleiß und Sachverstand gehört eben auch Hartnäckigkeit und Ausdauer  zur Arbeit der Abgeordneten im Petitionsausschuss.

 

Die Debatte zum Jahresbericht 2005 gibt mir die Gelegenheit, im Namen der Mitglieder der Arbeitsgruppe Petitionen der CDU/CSU allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes für ihre fleißige und kompetente Arbeit ganz herzlich zu danken.

Ohne ihre Tätigkeit wäre es uns nicht möglich die Berge von Petitionen zu bewältigen.

Einen herzlichen Dank auch den Abgeordneten im Ausschuss aller Fraktionen für das gute kollegiale Miteinander.

So konnten wir vielen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land helfen.

In nahezu jeder zweiten Petition haben wir eine Lösung im Sinne oder zu Gunsten der Petenten erreicht.

 

Das stärkt das Vertrauen in unsere lebendige Demokratie und ermutigt uns, gemeinsam diesen Dienst für unsere Bürger fortzuführen.

 

Vielen Dank